Auswirkungen der Zinsänderungen
Im Blog im September hatte ich erläutert, wie sich Zinsänderungen auf Anleihen auswirken. Ich hatte darauf hingewiesen, welche großen Chancen sich dem Anleger bieten, sollten die Zinsen wieder fallen. Und genau das ist in den letzten zwei Monaten passiert. Dementsprechend haben Anleihen mit langen Laufzeiten in diesem kurzen Zeitraum Gewinne von 5% und mehr erzielt. Aus unserer Sicht ist dieser Trend noch nicht beendet, sondern steht möglicherweise gerade erst am Anfang.
Kommen wir aber nun zu den Einflüssen, die Zinsänderungen auf Aktien haben. Seitdem die Zinsen Anfang 2022 gestiegen sind, haben sich Aktien nicht gut entwickelt. Dafür gibt es drei Hauptfaktoren, die alle mit steigenden Zinsen einhergehen.
- Kosten für Kredite: Zinsänderungen wirken sich auf die Finanzierungskosten von Unternehmen aus. Das betrifft jedoch keine laufenden Finanzierungen, bei denen eine feste Zinsvereinbarung besteht, wie z.B. bei Anleihen. Sollten aber neue Kredite aufgenommen werden oder Anleihen auslaufen, dann müssen die Unternehmen bei gestiegenen Zinsen mit höheren Kosten kalkulieren. Das wirkt sich negativ auf die Rentabilität der Unternehmen aus und das Betriebsergebnis verschlechtert sich. Je höher die Fremdfinanzierungsquote ist, umso größer ist dieser Effekt im Falle steigender Zinsen. Deshalb fallen besonders die Kurse von Wachstumsaktien in solchen Phasen sehr stark, da diese umfassende Zukunftsinvestitionen tätigen und deshalb oftmals eine hohe Verschuldung aufweisen.
- Unternehmensbewertung: Einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung von Unternehmen spielen neben der vorhandenen Substanz die zukünftigen Erträge. Diese werden bei Aktien von Analysten kalkuliert – und das für viele Jahre im Voraus. Diese zukünftigen Erträge werden dann zum aktuellen Stichtag bewertet. Das erfolgt durch Abzinsung. Bis Anfang 2022 gab es im Prinzip keine Abzinsung, da es keine Zinsen gab. Ein kalkulierter Unternehmensgewinn von 100 Mio. in 10 Jahren schlug sich dann auch mit ca. 100 Mio. auf den aktuellen Unternehmenswert nieder. Heute aber muss dieser Gewinn über zehn Jahre mit z.B. 5% abgezinst werden. Das sind dann nur noch 65 Mio., die auf den Unternehmenswert angerechnet werden – also 35% weniger. Somit wirken sich die Zinsänderungen auf die Unternehmensbewertung aus und sind ein weiterer Grund für fallende Aktien.
- Bessere Alternativen für den Anleger: Bis vor etwa 12 Monaten hatten sich höhere Zinsen noch nicht auf Tages- und Festgeldanlagen ausgewirkt. Erst seit Beginn dieses Jahres hat sich das sukzessive geändert und Banken bieten mittelweile bis zu 4% Zinsen für ein Jahr. Das wirkt sich auch auf die Nachfrage nach Aktien aus. Seitdem die Tages- und Festgeldkonditionen sich verbessert haben, stellen wir fest, dass weniger Kapital in Aktien fließt bzw. sogar Umschichtungen zu Lasten von Aktien durchgeführt werden. Diese geringere Nachfrage wirkt sich dann ebenfalls negativ auf die Aktienkurse aus.
Ausblick
Nun mehren sich aber die Anzeichen, dass die Zinserhöhungen ein Ende haben werden. Immer mehr Experten gehen sogar davon aus, dass die Zinsen ab nächstem Jahr wieder fallen. Und auch wenn die Leitzinsen bisher weiterhin hoch sind, bemerken wir am Kapitalmarkt bereits, dass die Zinsen fallen. So sind z.B. die langfristigen Zinsen für Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit seit Oktober um 0,5% gefallen. Und auch die ersten Anbieter von Festgeld haben Ihre Angebote leicht nach unten korrigiert. Es könnte also sehr gut sein, dass Anleger, die Ihr Geld jetzt für ein Jahr als Festgeld anlegen, sich nur kurz freuen. Möglicherweise sind die Zinsen in 12 Monaten dann wieder deutlich niedriger … und Aktien deutlich teurer geworden.